Kinder: Vergessene Opfer der Todesstrafe
Children: Unseen Victims of the Death Penalty

 

Am 10. Oktober 2019, dem 17. Welttag gegen die Todesstrafe, ging es darum, das Bewusstsein für die Rechte von Kindern zu schärfen, deren Eltern zum Tode verurteilt oder hingerichtet wurden. Die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. ergänzt ihre Projektwebsite des Vorjahres um entsprechende Beiträge.

 

On 10 October 2019, the 17th World Day Against the Death Penalty aimed at raising awareness on the rights of children whose parents have been sentenced to death or executed. The German Coalition to Abolish the Death Penalty supplements its project website of the previous year with corresponding contributions.



An meine Kinder

von Bill Clark
im Todestrakt von Kalifornien, USA

 

Das ist ein Thema, so schwer anzusprechen,
weil ich die meiste Zeit eures Lebens nicht da gewesen bin.

Ich erinnere mich deutlich an die Tage eurer Geburt.
Mit einem Mal hatte mein Leben richtigen Wert.

 

Aber nicht da gewesen zu sein, um euch beim Erwachsenwerden zu helfen,
hat mir das Herz gebrochen, und keiner von euch weiß davon.


Ich denke die ganze Zeit an die vielen schweren Jahre,
und immer, wenn ich es tue, muss ich die Tränen zurückhalten.

 

Es schneidet wie ein Messer zu wissen, dass ihr lebt –
mit einem Vater, der nicht da ist, um zu zeigen, was er geben möchte.


Ich muss zugeben, als ihr mich am meisten gebraucht habt,
da habt ihr euch umgesehen, und ich schien ein Geist zu sein.

 

Ich weiß, dass eure Mutter alles getan hat, was sie konnte;
und so weit ich es sehen kann, hat sie euch gut erzogen.

 

Eure Großmutter weiß, dass die Liebe, die ich fühle
für all meine Kinder, etwas ganz Reales ist.

 

Ich habe sehr viele Fotos, um zu sehen, wie ihr gedeiht,

aber jedes Mal, wenn ich sie ansehe, verdunkelt Trauer meine Seele.


Der Grund ist einfach, es ist nicht die Selbstsucht, es ist einfach, weil ich

nicht da bin, um euch zu helfen bei der Verwirklichung eurer Ziele.

 

Aber eines ist sicher und wisst, dass es wahr ist:
Mein einziger Wunsch ist es, bei euch zu sein.

To My Children

by Bill Clark

on Death Row in California, USA


This is a topic, that’s so hard to share,

because most of your life l haven’t been there.

l clearly recall the days of your birth,
for all of a sudden my life had true worth.

But not being there to help you all grow,
has broken my heart, and none of you know.


I think all the time of the many hard years,

and each time l do, I hold back the tears.

It cuts like a knife to know you are living,
with a Dad who's not there to show that he‘s giving.

l have to admit, when you needed me most,

you looked all around, and l’ve seemed like a ghost.

l know that your Mom has done all she could,

from what l can see, she raised you all good.

Your grandmother knows, the love that l feel

for all of my children, is something that’s real.

l have lots of photos to see that you’re thriving,

but each time l view them, my spirits start diving.


The reason is simple, it’s not about greed,

it’s because l’m not there to help you succeed.


But one thing is certain, and know that it’s true.

My one single wish is to be there with you.



Unscheinbare Opfer der Todesstrafe: Kinder von zum Tode verurteilten Eltern

 

Zum Tode verurteilte Menschen inklusive ihrer Straftaten stehen im Mittelpunkt, wenn es um die Todesstrafe und deren Umsetzung geht. Auch die Opfer und ihre Familien sind bei solch einem Urteil immer wieder im Fokus. Aber was ist mit den Kindern der Menschen, die ihre Angehörigen durch das Gesetz verlieren?

Kelly Gissendaner wurde am 29. September 2015 für den von ihr in Auftrag gegebenen Mord an ihrem Mann und gleichzeitig Vater ihrer mittlerweile erwachsenen Kinder Kayla, Dakota und Brandon in Georgia hingerichtet. Sie saß seit 1997 in der Todeszelle.

Ihre Tochter Kayla und ihr Sohn Dakota haben bis zum Schluss für sie gekämpft, haben versucht, die Hinrichtung ihrer Mutter aufzuschieben bzw. gänzlich zu verhindern. Sie sei eine ganze andere Person als früher, so beschrieb Dakota seine Mutter. Er habe mehrere Jahre gebraucht, um mit ihrer Tat klarzukommen, habe sie verachtet und verabscheut. Als er sich dann aber zu einem Besuch im Gefängnis habe durchringen können, habe er eine deutliche, positive Veränderung an ihr bemerkt.

Kayla sagte zudem einmal, dass ihr Vater nicht gewollt hätte, dass Kelly für das, was sie getan hatte, getötet würde. Er hätte nie gewollt, dass seine Kinder dieses Leid mit ansehen müssten.

Für die Hinrichtung wurden schon früher Termine festgesetzt, einmal im Februar 2015 und dann im März des gleichen Jahres, die aber jeweils aus unterschiedlichen Gründen hatten verschoben werden müssen.

Um Gnade bittend, wurde auch Kaylas geschriebenes Statement verlesen, in dem sie ihre Gefühle verdeutlichte. Die Tatsache, ihre Mutter zu verlieren, sei verheerend, ebenso die Vorstellung, mit ihr auch den zweiten Elternteil verlieren zu müssen. Ihre Mutter habe in der Zwischenzeit so viele Leben positiv beeinflusst. "Sie hinzurichten würde weder für Gerechtigkeit noch Frieden sorgen, für mich nicht und auch für sonst niemanden", so Kayla Gissendaner. ...

 

Artikel von Melanie Schwarz (September 2017)

Initiative gegen die Todesstrafe e.V.

 

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Lesen Sie den vollständigen Artikel von Melanie Schwarz:
Kinder von Todestraktinsassen.pdf
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Unvollendete Meisterwerke

von Kevin Brian Dowling
im Todestrakt von Pennsylvania, USA

 
Ich habe immer Menschen mit der Fähigkeit, physische Kunstwerke durch Zeichnen, Malen oder Bildhauerei zu kreieren, bewundert. Ich habe kein Talent auf diesen Gebieten.

Ich bin Vater von drei Kindern. Ich glaube, dass beide Elternteile gemeinsam die ersten Künstler in der Schaffung ihrer Kinder sind, nicht nur biologisch, sondern in jeder Art und Weise. ...

Eltern von erwachsenen Kindern sehen und hören sie insgeheim immer noch, als wären sie in jedem Jahr ihres Aufwachsens, und bemerken die verschiedenen Pinselstriche, die sie durch ihre Worte und Taten offensichtlich an ihren atmenden Meisterwerken hinterlassen haben. Die richtigen Striche wurden jedes Mal gemacht, wenn du deine Kinder gehalten, geküsst, getröstet und ihnen gesagt hast, wie sehr du sie liebst. ...

Wie ich schon sagte, ich bin Vater von drei Kindern. Niemand bestreitet, dass ich ein guter Vater und Ehemann war. Ich wurde von meinen zwei Töchtern und meinem Sohn geliebt und respektiert. Sie waren 12 Jahre, 9 Jahre und 23 Monate alt, als ich 1997 aus ihrem Leben gerissen wurde. Aus Gründen, auf die ich hier nicht eingehen will, wurde ich komplett gelöscht aus ihrem Leben und ihnen völlig entfremdet. Ich habe seit 1998 keinen Kontakt mehr zu ihnen.

Ich frage mich oft, wie sie wohl jetzt als Erwachsene aussehen oder wie ihre Stimmen klingen. Würde ich sie überhaupt erkennen, wenn ich ihnen auf der Straße begegnete? Würden alle Pinselstriche, die unbekannte Künstler ihren Persönlichkeiten hinzufügten, meine ursprünglichen Bemühungen überdecken?

... Ich kann nur hoffen und beten, dass die Umwelt, in der meine Kinder während der letzten 20 Jahre gelebt haben, keine ständig schädliche Wirkung hatte. Ich sehe sie noch in meinem geistigen Auge, wie sie vor langer Zeit waren. Sie sind meine unvollendeten Meisterwerke, und ich liebe sie, komme, was da wolle.

 

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Lesen Sie den vollständigen Text von Kevin Dowling:
Unfinished Masterpieces_D_Dowling_PA.pdf
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Unfinished Masterpieces

by Kevin Brian Dowling
on Death Row in Pennsylvania, USA

 

I've always admired people born with the ability to create physical art through drawing, painting, or sculpting. I have no ability in those arenas. 

I am the father of three children. I believe that both parents working in tandem are the primary artists in the creation of their children, not just biologically, but in every way. ...

Parents of adult children secretly still see and hear them as they were at each year of their growth and take notice of the various brushstrokes left by their words and actions, evident in their breathing masterpieces.  The real fine strokes were made every time you held your children, kissed them, comforted them, and told them how much they were loved. ...
 
Like I mentioned, I am the father of three children. No one disputes that I was a good father and husband. I was loved and respected by my two daughters and one son. They were aged 12 years, 9 years, and 23 months old when I was wrenched from their lives in 1997. For reasons that I won't get into here, I was erased from their lives and alienated completely. I've had no contact since 1998. 

I often wonder what they look like or sound like, now grown adults. Would I even recognize them walking by on the street? Would all the brushstrokes added to their personalities by unknown artists conceal my original efforts? 


... I can only hope and pray that the environment that my children lived in during these past 20 years has not had a permanent detrimental effect.  I still see them in my mind's eye as they were so long ago. They are my unfinished masterpieces, and I love them, no matter what.   

    

 

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Read the complete essay of Kevin Dowling:
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T.T. Trottie is preparing himself to lose another parent.

His father killed his mother 21 years ago and will be executed a week from now.

(BBC Documentary published in 2016 - German and English subtitles available!)